Fortsetzung von Diemelsteig 3. Tag.
Heute haben wir nur noch ein Reststück (12km) übrig.
Wir lassen uns nach dem Frühstück nicht zur Staumauer, sondern nach Heringhausen fahren, weil wir nicht von dem Niveau von Helmingshausen (See minus Staumauer) aus auf den Gipfel des Eisenbergs (595) hoch wollen, sondern lieber vom Seelevel zum St. Muffert Aussichtspunkt (grob 500 Meter, also 100 Meter weniger plus noch mal 40 Meter für den Unterschied der Staumauer – wir sind faul, wenn es nur um einen Gipfel geht und man die Höhe nicht halten kann).
Wir steigen also bei (4) in den Berg, nicht nördlich der Staumauer – oben abgebildet ist der Orignaltrack (Link hinterm Screenshot).
Von Heringhausen nach Adorf
Der Weg geht im wesentlichen Richtung Osten – der blaue Pfad.
In Heringhausen laufen wir erstmal an der Seepromenade entlang. Der Ort ist bei weitem am touristischsten von allen Orten, die wie bisher gesehen haben. Es gibt Hotels, eine bereits früh morgens geöffnete Pommesbude, Eis-Schilder und alles.
Der See liegt um diese Zeit sehr still, es gibt noch keine Thermik oder andere Winde.
Der Pfad hoch in den Eisenberg ist ein richtiger Fusspfad, schmal, gut zu gehen, steil – nix für Forstmaschinen. Das macht Spaß, dafür liegt ab und zu Natur im Weg rum.
St. Muffert
Wir keuchen uns auf die Höhe von St. Muffert hoch, dort gibt es eine tolle Aussicht über den See und auf die Höhenzüge, auf deren Kamm wir gestern und vorgestern gelaufen sind. Woher der Name kommt, ist uns unklar.
Die Hütte ist relativ neu und auf einem Fundament, das eher für was größeres gedacht war, gegründet.
Hier sieht man auch noch mal die touristische Ausrichtung von Heringhausen ganz gut (naja, „gut“). So ein Ferienpark sticht durch die gleichgleiche Anordnung sofort ins Auge und das nicht gerade angenehm.
Im Hintergrund sieht man den Dommel (rechts vom Eichenlaub) und den Niegelscheid (links vom Eichenlaub).
Von dort aus geht es erstmal sanft bergab, die Wege sind weiterhin sehr gut gehbar und mit gutem Untergrund.
Eine nicht Diemelsteig-standardkonforme Bank, aber dafür mit schöner Aussicht.
Durchs Seitental Richtung Adorf
Der Pfad folgt einem Tal, in dem nicht viel los ist, und das wieder in prächtigstem Grün strahlt.
Zusammenfassung: Es ist wunderschön hier.
Leider geht es dann irgendwann für mehrere Km nur noch auf Teer weiter.
Wir laufen manchmal etwas auseinander, in diesem Fall hab ich einfach keine Lust, ohne Schatten auf Nadja zu warten, die mit Fotografieren beschäftigit ist.
Als wir oberhalb des Tals, in dem Adorf liegt, ankommen, machen wir noch einmal eine längere Pause in einer schattigen Hütte und sehen hinunter ins Tal.
Dort spielt ein Kampfhubschrauber Tiger (erkennbar an der Sensor-Bommel über dem Hauptrotor) mit sich selbst verstecken – ziemlich dicht über dem Boden und dafür ganz schön schnell.
Angst vor Oberleitungen haben die Besatzungen wohl eher nicht.
Ich habe mir eine zweite (Einwegplastik)flasche im Gasthof geliehen und feiere wahre Orgien in meinem Trinkwasser, es ist wieder sehr warm für September.
Wir queren die Rhene, an der in früheren Zeiten auf Adorfer Gebiet mehrere Wassermühlen betrieben wurden; auf der anderen Strassenseite ist ein Besucherbergwerk, aus dessen wochentags leider geschlossenem Schacht angenehm kalte Luft strömt.
Das hätten wir uns gerne angesehen, aber so touristisch ist es dann in der Gegend nicht – Öffnungen nur am Wochenende.
Es geht auf den letzten Anstieg unserer Wanderung, wieder hoch aus dem Rhenetal auf den Rücken des östlich von Adorf gelegenen Hügels.
Wir kommen oben an, sehen die letzte Diemelsteig-Bank – leider ist der Weg von dort wieder runter bis nach Adorf wiederum asphaltiert.
Der letzte Abstieg bis zum Gasthof – und zack: Wir haben den Diemelsteig begangen.
Wir gehen direkt, ohne uns erstmal leichtere Schuhe anzuziehen, zu (zum?) Schnöggel – einer Eisdiele mit nur selbstgemachtem Eis, das scheinbar so eine Institution ist, dass es keine eigene Webseite braucht, Eis an andere Gastrobetriebe exportiert und selbst eher komische Öffnungszeiten hat.
Aber das Eis ist der Hammer, besonders das weisse Cafeeis hat es uns angetan – wegen Gefrässigkeit haben wir leider beide keine Fotos davon gemacht.
Wenn man zum Nacheistisch noch einen Milchkaffee bestellt, gibt es da auch noch mal ein kleines Minieis dazu. Sehr lecker.
Am Abend wird es voll im Gasthof – der Männergesangsverein Adorf probt Donnerstags im großen Saal – und vorher (und hinterher) wird die Stimme geölt.
Wir bekommen wieder ein leckeres Abendessen und nochmal einen Schnaps.
Damit sind wir am letzten Tag noch einmal 12km gelaufen und einmal rum.
Fazit
Wir können diesen Kurzurlaub wirklich empfehlen.
Die Linde in Adorf bietet alles, was wir gebraucht haben: Einfache, saubere Zimmer, Frühstück, Abendessen, Geselligkeit, Bring/Holdienst.
Das Essen ist gutbürgerlich (ich hab mal nach einer Definition gesucht, die passt) – es wird auf Grossstadt-Chichi verzichtet, trotzdem war es lecker und ansprechend – ein kleines bißchen Zeitreise war dabei, man kommuniziert z.B. per Telefon, nicht per Email.
Hervorheben möchten wir die Crew, die den Aufenthalt für uns so angenehm gestaltet hat; besonders der Chef, Herr Becker – der sich für das Vermitteln seiner Begeisterung für seine Heimat wirklich reinhängt – es ist ihm eine Herzensangelegenheit, und der Funke springt über.
Wir waren übrigens nicht die einzigen Wander-Gäste, es waren mehrere Päarchen parallel zu uns auf anderen Teilen des Diemelsteigs unterwegs. Daher wissen wir, dass die Küche auch Wünsche wie Hafermilch oder Dinkelbrot umsetzen kann und das auch gerne tut – default wie für Stadtkinder gewohnt, ist es nicht.
Qualitätswanderweg
Die Sache mit dem Qualitätswanderweg: Nach diesem Flyer gehören unter anderem folgende harte (es gibt auch ne Menge weiche) Kriterien zu einem Q-Wanderweg:
- Verbunddecke (Asphalt, Beton, …) höchstens 20 % der Gesamtstrecke
höchstens 3.000 m am Stück - naturnahe Wege mindestens 35 % der Gesamtstrecke
Bei beidem hab ich so meine Zweifel, ob das auf dem Diemelsteig wirklich (noch) hinkommt. Ich verstehe, warum in einem dichtbesiedelten Land wie Deutschland so viel geteert ist – damit eben Anwohner nicht alle 4wd-Panzer brauchen, um im Winter nachhause zu kommen – aber es sollte schon möglich sein, Fußpfade anzulegen und ab und zu zu mähen, damit man nicht so viel Strasse laufen muss. Strasse laufen ist unangenehm hart, es ist im Sommer unangenehm heiss von unten, und es sorgt für schnellen Anwohnerverkehr, die weder mit Wanderern noch mit Gegenverkehr rechnen, zumindest die, die denken sie seien Walter Röhrl.
Etwas abgeschwächt gilt das gleiche auch für die sehr grob geschotterten und dann gewalzten Waldwege, damit schwerste Holzerntemaschinen dort fahren können – laufen sich auch eher so mittel gut, sind aber für diese Art von Waldwirtschaft aktuell anscheinend notwendig.
Ausrüstung
Gleichzeitig ist der Diemelsteig völlig unproblematisch zu begehen, das geht auch in Sandalen. Die inzwischen übliche Highperformance-Hiking-Ausrüstung ist nicht notwendig, man benötigt auch keine auf den Oberschenkel getapede Atropinspritzen.
Was mir sehr geholfen hat, waren Merino-Shirts (Smartwool – vermutlich diese hier) – ich hab beim Radfahren rausgefunden, dass sich körpernahe Klamotten mit einem hohen Merinoanteil sehr angenehm tragen, auch wenn sie nass sind und dass sie schnell trocknen – und ich bin ein Schwitzer, nicht nur bei 30°. Ich hab auch ein Merino-Shirt aus 100% Merino, das gefällt mir nicht so gut für körperliche Aktivitäten, das bekommt auch Trocknungsränder, das passiert mit den Smartwooldingern nicht.
Meine Wanderstiefel von vor 2015 sind an den Sohlen so langsam durch, ich fürchte mich schon vor der Ersatzbeschaffung. Dazu ziemlich dicke Wandersocken, die dochtartig die Feuchtigkeit aus dem Schuh heraus bringen und dort verdunsten (ich glaub, die sind auch von Smartwool).
Wir hatten beide keine Probleme mit Blasen oder insgesamt den Füssen.
Ich hab zwar seit unserem Chiemgau-Urlaub Wanderstöcke, habe aber vergessen, diese mitzunehmen. Ich habe sie allerdings auch nicht vermisst. Wie gesagt: Der Diemelsteig ist sandalentauglich, solche Pfade, wie im Chiemgau normal, gibt es einfach nicht.
Rucksäcke: Wir haben die Rucksäcke, die wir auch im Alltag benutzen, genommen. Wir brauchten ja nur Kapazitäten für Essen, Trinken, Drohne, Pflasterkram – nicht mal warme oder wasserdichte Klamotten mussten wir dabei haben – das geht auch mit nem Einkaufsbeutel 🙂
GPS: Ich hatte mein Radcomputer Garmin Edge irgendeine vierstellige Nummer + mit, weil das im Gegensatz zu meinem uuralten Wander-Garmin OSM-Karten und BT/Wifi kann. Nach dem ersten Tag war klar, dass ich das hier nicht brauche, und es blieb im Gasthof. Ich hab die Strecken mit meiner Uhr (auch Garmin, Venu2) getrackt, diese kann auch direkt (also via Garmin App auf dem Handy) mit Komoot kommunizieren, es ist ebenfalls möglich, zu erkennen, wie man weiter gehen muss, allerdings gibt es in der Komoot-App keine wirkliche Kartendarstellung, sondern nur eine Trackdarstellung – hier völlig ausreichend.
Wir hatten natürlich auch noch eine Papierkarte, das war gut für den Überblick, um z.B. zu sehen, ob in absehbarer Zeit eine Hütte/Lagerplatz kommt.
Abreise
Am nächsten Morgen werden wir nach dem Frühstück zum Bahnhof gefahren, die durch Schienenersatzverkehr ziemlich lange Reise verläuft aber so, wie geplant.
Wir fahren erstmal etwas mit einem sehr grimmig guckenden Dieseltriebzug, dann eine längere Strecke mit dem Bus, dann weiter Grimmiger Dieseltriebzug, dann warten wir sehr lange auf einem rotten, sehr stillen (Informationssystem Lautsprecher und Anzeigen komplett ausgefallen) Bahnhof Hagen auf unseren ICE, der uns wieder nach Hamburg bringt.
Der Muskelkater klingt die folgenden Tage langsam ab – es bleiben die schönen Erinnerungen an ein sehr schönes Stück Sauerland.